Hallo zusammen und willkommen zu Tag 23! Heute hieß es Abschied nehmen von Schweden und dem eigentlichen Skandinavien. Nach einer umstiegreichen Etappe mit Bahn und Bus landete ich schließlich in Finnland, genauer gesagt in Rovaniemi. Nachdem die ersten kulturellen Unterschiede verdaut waren, stand der Abend ganz im Zeichen der Vorbereitung auf meine einwöchige Hüttenepisode. Die ganze Geschichte gibt es wie immer im folgenden Bericht – viel Spaß beim Lesen!
Heutige Route:
Kiruna – Luleå – (Bus) – Haparanda/Tornio – (Bus) – Kemi – Rovaniemi
Gefahrene Kilometer:
576 (total: 10.020)
Nach zwei Tagen in Kiruna stand heute wieder ein klassischer Transfertag an. In einer bunten Mischung aus verschiedenen Verkehrsträgern sollte er in der Reihenfolge (1) schwedischer Zug, (2) schwedischer Bus, (3) finnischer Bus und schließlich (4) finnischer Zug in die größte nordfinnische Stadt Rovaniemi gehen. Da hier oben im extrem dünn besiedelten Lappland Züge und Busse nur wenige Male am Tag fahren, hat man bei der Abfahrtszeit wenig Wahlmöglichkeiten. In meinem Fall gab es sogar nur genau eine sinnvolle Verbindung und die bedeutete: Abfahrt mit dem Shuttlebus zum Bahnhof Kiruna um 5:55 Uhr!
Entsprechend früh klingelte mein Wecker, nämlich um halb fünf. Dafür, dass ich etwa nur fünf Stunden geschlafen hatte, kam ich ganz gut aus dem Bett. Auf leisen Sohlen schlich ich zur Gemeinschaftsküche, wo ich mir mein Frühstück bereitete. Nachdem ich die letzten Dinge eingepackt hatte, ging ich gemütlich zum Busbahnhof, denn ich war gut in der Zeit. Neben einer Handvoll verschlafener Pendler erwartete mich dort eine weitere Interrailerin (genauer gesagt eine Eurailerin, also mit Wohnsitz außerhalb Europas), die mich heute auf der kompletten Reise begleiten sollte. Nach der kurzen Busfahrt waren wir fast zwanzig Minuten vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof, wo schon viele weitere Fahrgäste standen. Um Viertel nach sechs wurde schließlich der Norrtåg mit dem Ziel Luleå bereitgestellt. Es war mal wieder der typische schwedische Nahverkehrstriebzug, der mir bislang schon unter so vielen verschiedenen Markenbezeichnungen immer gut gefallen hatte.
Auch diesmal gab es wieder ein funktionierendes WLAN und eine kleine Kaffeebar, so dass einer gemütlichen Fahrt nichts im Wege stand. Unterwegs präsentierte sich Lappland von seiner schönsten Seite mit frisch eingeschneiten Nadelwäldern und einem herrlichen Sonnenaufgang, der die Landschaft in ein tolles Licht tauchte. So vergingen die dreieinhalb Stunden bis zur Endstation wie im Flug. Wichtigster Unterwegshalt war Boden, wo mir das prächtige, in der für die Region typischen Holzbauweise gefertigte Bahnhofsgebäude ins Auge fiel.
Als wir um kurz vor zehn in Luleå ankamen, war ich zunächst davon überrascht, dass es hier – trotz der Lage am Meer – noch immer zweistellige Minusgrade herrschten. Da sieht man mal wieder, dass so ein „Popelmeer“ wie die Ostsee das Klima nicht nachhaltig beeinflusst, ganz im Gegenteil zum Atlantik, der mit seinem Golfstrom für stets mildes Wetter an Norwegens Küsten sorgt. In Luleå hatte ich etwa eine Stunde Zeit, um zum nahen Busbahnhof zu wechseln. Diese nutzte ich, um die Umgebung des Bahnhofes zu erkunden und mich mit einer Notverpflegung im Pressbyrån zu versorgen – inklusive einer Art Rentier-Wurstbrot, dass wohl nur hier oben in Lappland Absatz findet.
Weiter ging es dann mit einem komfortablen Reisebus des Länstrafiken Norrbotten in die schwedische Grenzstadt Haparanda. Zu meiner Freude wurde mein Interrailticket anstandslos anerkannt. Die Fahrt verlief ereignislos durch recht unspektakuläre Landschaft. Längere Zeit waren wir auf einer autobahnähnlichen Straße unterwegs, was mich an die Heimat erinnerte. Dies war eine Premiere für mich in Skandinavien, denn meine bisherigen Busfahrten hier und hier verliefen ja eher auf engen, kurvigen Landstraßen.
Um Viertel nach eins (schwedischer Zeit) kamen wir in Haparanda an, welches de facto mit dem finnischen Tornio zusammengewachsen ist, so dass beide Städte einen gemeinsamen Busbahnhof haben. Der Busbahnhof liegt zwar auf schwedischen Gebiet, trotzdem fahren die Busse nach Finnland bereits nach finnischer Zeit ab, also eine Stunde später. Beim Studieren der Fahrpläne und Kalkulieren der Umstiegszeiten muss man also tunlichst aufpassen, in welcher Zeit die jeweiligen Angaben gemacht sind. Die Umgebung des Busbahnhofs erwies sich als reichlich trostlos, es handelte sich nämlich um ein unwirtliches Gewerbegebiet. Direkt gegenüber lag die örtliche IKEA-Filiale, welche man bei längerer Wartezeit gut für ein günstiges Mittagessen nutzen könnte (siehe Bericht aus Stockholm). Mir war die Umstiegszeit von etwa einer Dreiviertelstunde aber etwas zu knapp, daher verzichtete ich auf Kötbullar & Co.
Um 15:05 Uhr (finnischer Zeit) ging es dann weiter mit einem etwas klapprigen Regionalbus nach Kemi, wieder wurde das Interrailticket akzeptiert. Zunächst stiegen genau zwei Fahrgäste ein – die anderer Railerin und ich. Wir blieben allerdings dabei, uns zu ignorieren. Auf dem Weg zum nahen Ortskern von Tornio mussten wir irgendwo die Grenze überfahren haben. Gemerkt habe ich davon nichts und von Grenzpolizei oder ähnlichem war hier weit und breit nichts zu sehen. Wenigstens zwischen Schweden und Finnland ist die EU-Welt also noch in Ordnung! Im Zentrum stiegen dann auch noch weitere Leute zu und so hatte ich, neben dem Straßenbild draußen, Gelegenheit meine ersten Eindrücke von Finnland und seinen Bewohnern sammeln.
Waren die Unterschiede zwischen Norwegen und Schweden ja eher subtil, fühlt sich Finnland schon ganz anders an als die beiden skandinavischen Länder. Das liegt natürlich zum einen an der eigentümlichen Sprache, die einem völlig anderem Sprachraum angehört (nämlich dem finno-ugrischen) und daher kaum Überschneidungen mit dem Schwedischen, dem Norwegischen oder dem Deutschen hat. Zum anderen wirkt Finnland deutlich östlicher und man merkt die unmittelbare Nachbarschaft zu Russland. Dies spiegelt sich in vielen kleinen Details wieder, sei es die Verbreitung des ortodoxen Glaubens, das Breitspurnetz der finnischen Bahn oder die Zugehörigkeit zur Osteuropäischen Zeitzone. Nach etwa einer Dreiviertelstunde kamen wir schließlich am Bahnhof von Kemi an. Hier stand der einzige etwas knappe Übergang des heutigen Tages an, der aber gut klappte, das der Bus pünktlich und der Zug um wenige Minuten verspätet war.
Der Zug war ein Intercity und bestand aus nur zwei Doppelstockwagen. Wie man sieht, haben die Finnen offenbar eine Leidenschaft für lustige Tiermotive an und in ihren Zügen, so war zum Beispiel der kleine Maulwurf oder Krtek, wie er im tschechischen Original heißt, omnipräsent. Die etwa einstündige Fahrt vertrieb ich mir mit einer Erkundungstour durch die Waggons. Ich entdeckte einige interessante Einrichtungen, beispielsweise ein kleines Kabuff, in das man nervige Dauertelefonierer einsperren kann ;). Außerdem kaufte ich mir einen Kaffee bei der rollenden Minibar und kam dabei das erste Mal seit drei Wochen wieder in Kontakt mit Euro-Preisen.
Bei der Ankunft in Rovaniemi war die Sonne gerade dabei hinter dem Horizont zu verschwinden. Auf dem Gleis gegenüber stand wartend der Nachtzug nach Helsinki, mit dem ich in einer Woche gen Süden fahren werde. Nachdem ich diesen, ebsenso wie das Bahnhofsgebäude, ausgiebig begutachtet hatte, machte ich mich auf in das Zentrum. Ein kluger Marketingstratege hat sich irgendwann einmal die Legende ausgedacht, dass Rovaniemi die Heimat des Weihnachtsmannes sei. Seitdem hat sich die Stadt komplett dem etwas skurillen Weihnachtsmann-Tourismus verschrieben. Und das scheinbar mit Erfolg, denn es war zu meiner Überraschung ein riesiges Problem, eine nicht ausgebuchte Unterkunft aufzutreiben. Ich landete schließlich in einem – verglichen mit der bisherigen Reise – sündhaft teuren Doppelzimmer im Budget-Hotel Santa’s Hotel Rudolf, eine Dependence des luxeriöseren Santa’s Hotel Santa Claus, welches wiederum der Kette Santa’s Hotels angehört – alles klar? Jedenfalls bei Santa Claus musste ich einchecken, um dann ins etwa 600 Meter entfernte, nicht mit Personal besetzte Rudolf zurückzulatschen. Auf dem Weg konnte ich einen ersten Eindruck von Rovaniemi gewinnen, welches nicht gerade im Verdacht steht, einen Städtebaupreis zu gewinnen… Später las ich, dass der historische Stadtkern 1944 von deutschen Soldaten nahezu komplett niedergebrannt wurde. Deutsche wurden daher noch lange nach dem Krieg als Lappland-Verbrenner bezeichnet.
Im Hotelzimmer angekommen stellte ich fest, dass die Bezeichnung Budget durchaus zutreffend für die nüchterne Ausstattung war, bei der Preisgestaltung aber offenbar vergessen wurde. Einziger Vorteil: Das Zimmer verfügte über einen Kühlschrank. Dies war sehr praktisch, denn so konnte ich den Großeinkauf für meinen ab morgen beginnenden einwöchigen Hüttenaufenthalt schon heute tätigen und nicht erst morgen früh unter Zeitdruck, wie eigentlich geplant. Ich ging dann in den nächsten Supermarkt und und machte mich mit dem finnischen Angebot vertraut. Nachdem ich gefühlt hunderte Male durch alle Regale geflitzt war, hatte ich schließlich zwei Einkaufskörbe voll. Ich hoffe, das reicht zumindest für die ersten Tage! Beim Bezahlen stellte ich erleichtert fest, dass das finnische Preisniveau deutlich näher am deutschen als am schwedischen oder norweigisch liegt. Einzige Ausnahme: Bier. Für den Sechserträger, den ich am nächsten Tag noch ergänzte, musste ich einen Zehner auf den Tisch legen.
Nach dem Einkauf zog ich dann nochmal los ins Zentrum. Rovaniemi sollte mir zwar eigentlich nur als Durchgangsstation dienen, diese kleine Minimal-Stadtbesichtigung konnte ich dann aber doch nicht sein lassen. Auffällig waren die vielen größeren Touri-Gruppen auf Polarexpedition, die mir unterwegs begegneten, erkennbar am Einheits-Kälteschutzoverall. Die echten Bewohner Lapplands können über diesen Aufzug wohl nur lachen, gelten die -14 Grad die es am Abend hatte in diesen Breiten doch als gemäßigte Temperatur. Mit ein paar nächtlichen Impressionen aus Rovaniemi verabschiede ich mich für heute und sage: Tschüss und bis morgen, wo es noch einmal Busfahren heißt, ehe ich für eine Woche sesshaft werde!