Hallo und willkommen zu Tag 13! Heute gab es keinen Unglückstag, sondern, ganz im Gegenteil, das Rundum-Sorglos-Paket aus dem schwedischen Bilderbuch. Nach einer einmalige Bahnfahrt durch das verschneite Mittelschweden verbrachte ich einen tollen Nachmittag und Abend in Mora im Herzen der Landschaft Dalarna. Außerdem traf ich eine Entscheidung, die meine Laune deutlich verbesserte. Wie immer gilt: Viel Spaß beim Lesen!
Heutige Route:
Östersund – Mora
Gefahrene Kilometer:
320 (total: 6.796)
Heute sollte es mal wieder früh losgehen und so geisterte ich bereits um 06:00 Uhr durch die sich ansonsten noch im Tiefschlaf befindende Jugendherberge, um mir mein Frühstück zuzubereiten. Nach dem Packen im Schnelldurchlauf machte ich mich um kurz vor sieben auf zum Bahnhof. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es dämmerte bereits, so dass der Himmel im tiefsten Blau erstrahlte. An der Temperatur hatte sich seit gestern nichts geändert, das Thermometer zeigte beständig -13 °C. Am Bahnhof wartete schon der Triebwagen der legendären Inlandsbanan, in welchem ich die kommenden Stunden nach Mora verbringen sollte.
Beim Einstieg erwarteten mich ein sehr junger Lokführer, eine freundliche Zugbegleiterin, sowie ein Hund, die mich allesamt begrüßten. Alles an diesem Zug wirkte auf Anhieb sehr familiär und entspannt. Die Zugbegleiterin machte mich sogleich darauf aufmerksam, dass wir etwas verspätet abfahren würden, da wir auf Anschlussreisende aus Richtung Gävle warteten. Verbunden war dieser Hinweis mit dem Angebot von Gratis-Heißgetränken sowie derart vielen Entschuldigungen, dass es mir schon fast unangenehm war. Später bot sie mir sogar noch an, dass ich als Entschädigung für die Verspätung die Fahrt nicht in mein Interrail-Ticket einzutragen brauchte – somit hätte ich einen kompletten Reisetag gespart! Leider hatte ich die Eintragung bis dahin schon erledigt und nachträgliche Änderungen sind – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht erlaubt.
Nachdem wir die Anschlussreisenden (eine Gruppe Jugendlicher auf dem Weg in die Skiurlaub) aufgenommen hatten, setzte sich der Zug gegen zwanzig nach acht schließlich in Bewegung. Wir fuhren durch einen herrlichen Morgen und links und rechts der Strecke gab es wieder viel Schweden-Romantik zu sehen.
Beim Zwischenhalt in Röjan stieg ich kurz aus, um den Zug zu fotografieren. Derart als Eisenbahn-Nerd enttarnt kam direkt die Zugbegleiterin auf mich zu und fragte, ob ich nicht ein paar Fotos aus dem Führerstand schießen wollte. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und verbrachte dort eine sehr interessante Stunde, während der sich einige schöne Einblicke auf die Strecke boten. Die sehr gesprächige Zugbegleiterin, welche während der Sommersaison auch als Reiseführerin auf dieser bei Touristen beliebten Bahnlinie fungiert, erklärte mir allerhand über die Eigenheiten und Lebensweise in dieser wunderschönen Gegend Mittelschwedens. Daran anknüpfend ergab sich ein sehr anregendes Gespräch über die Arbeit, das Leben und die Freiheit, während die schwedische Weite an uns vorbeizog. Der Lokführer, eher mit einem „finnischen“ Gemüt ausgestattet, ließ unser Gequatsche stoisch über sich ergehen und dachte sich seinen Teil. Außerdem musste er sich ja auch auf die Strecke konzentrieren, was später noch wichtig werden sollte…
Wir unterhielten uns auch über das Thema „Zwischenfälle mit Rentieren und Elchen“. Sie erzählte mir, dass es bei Rentieren von dem Grad der Tierliebe des jeweiligen Lokführers abhänge, ob er bremst oder – naja – draufhält. Im letzteren Fall werde der Jäger gerufen, der das verletzte Tier gegebenenfalls erlöst. Außerdem müsse die Bahngesellschaft eine Entschädigung an den Besitzer zahlen, denn jedes Rentier in Schweden habe eine rechtmäßigen Halter, zu erkennen an der Ohrmarke. Steht hingegen ein deutlich massiverer Elch auf der Strecke, heißt es einfach nur Fahrt aufnehmen und hoffen, dass die Kollision nicht ganz so schlimm wird… Genau in diesem Moment legten wir eine scharfe Bremsung hin und der – offenbar tierfreundliche – Lokführer beginnt wie wild zu hupen: Vor uns tummeln sich tatsächlich zwei Rentiere, die zunächst keine Anstalten machen, die Gleise zu verlassen! Damit hätte ich dieses Schweden-Klischee also auch abgehakt.
Als die Tiere die Strecke schließlich wieder freigegeben hatten, ging es im gemütlichen Temp weiter. Die Landschaft draußen wurde immer winterlicher, hier musste es erst vor kurzer Zeit geschneit haben. Die Zugbegleiterin erzählte mir allerdings, dass die Schneedecke in diesem Jahr außergewöhnlich gering war. Naja – um mich Flachlandtiroler zu begeistern, reicht es auf jeden Fall! Beim mittäglichen Zwischenhalt in Sveg verabschiedete ich mich schließlich aus dem Führerstand, denn ich hatte das Gefühl, dass wir dem Lokführer mittlerweile doch ein wenig auf die Nerven gingen.
Den Rest der Fahrt verbrachte ich wieder als „normaler“ Passagier und klebte förmlich an der Fensterscheibe, denn draußen spielte sich der perfekte Wintertraum ab. Die Bäume hingen voll von frischem Schnee und die Sonne gab sich alle Mühe, die Szenerie mit voller Leuchtkraft zum Funkeln zu bringen. Wir erreichten schließlich den höhsten Punkt der Inlandsbanan, 524 Meter über dem Meer, wie einem großen Schild zu entnehmen war. In der Folge verloren wir wieder an Höhe und der Schnee wurde entsprechend weniger.
Gegen viertel vor eins erreichten wir schließlich unsere Endstation Mora. Das kleine Städtchen liegt im Herzen der Landschaft Dalarna und ist überregional bekannt als Zielort des Wasalaufs, welcher jedes Jahr Anfang März ausgetragen wird – eines der Nationalheiligtümer der Schweden! Ich ging gleich zu meiner Unterkunft, dem Kristinebergs Vandrarhem, welches nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt lag. Es war zwar noch zu früh für den Check-in, aber ich hatte vereinbart, dass ich mein Gepäck im Skikeller unterstellen konnte.
Nachdem ich dies getan hatte, zog ich los in Richtung Innenstadt, etwa 1000 Meter von Bahnhof und Unterkunft entfernt. Auf dem Weg dorthin kam ich am Zielbereich des Wasalaufes vorbei, in dem schon die Zuschauertribünen aufgebaut und weitere Vorbereitungen für das große Ereignis im Gange waren. An dem Wettbewerb nehmen über 30.000 Läufer teil, eine riesige Herausforderung für so eine kleine Kommune! In der Folge schlenderte ich an der imposanten Kirche sowie der gemütlichen Fußgängerzone mit vielen typisch-schwedischen Holzhäusern vorbei.
Ich hatte aber vorerst ein anderes Ziel. Nachdem ich es nunmehr seit fast zwei Wochen immer wieder vor mir hergeschoben hatte, wollte ich endlich mal wieder Schwimmen gehen. Im Internet hatte ich festgestellt, dass Mora ein Hallenbad hat, die Mora Simhall, welche allerdings samstags nur bis 15 Uhr geöffnet hat. Also war Eile angesagt! Als ich um kurz vor zwei an der Schwimmhalle ankam – natürlich auch aus Holz und in Falunrot – ließ ich mir an der Kasse kurz die landestypischen Gegegebenheiten erklären, bekam ein Vorhängeschloss für den Spind in die Hand gedrückt und enterte die Umkleidekabine. Schließlich sprang ich ins kühle Nass und es war herrlich. Jetzt weiß ich, was mir die letzten Tage gefehlt hatte! Und: Meine Angst, dass ich mittlerweile das Schwimmen verlernt hatte, war unbegründet. Ich bin zwar nicht gerade in Topform, aber für eine gemütliche 1500-Meter-Einheit hat es gereicht.
Als ich das Schwimmbad verließ, fühlte ich mich wie neu geboren und spazierte vergnügt zurück in Richtung Zentrum. Diesmal nahm ich einen Wanderweg an einem kleinen Rinnsal und hier, von der Hinterhof-Perspektive, wirkte Mora wirklich sehr idyllisch. Hier war auch der Startpunkt einiger Langlauf-Loipen raus in die weiten Wälder Dalarnas und ich konnte einige Hobbyathleten bei ihrem Samstagnachmittagsport beobachten.
Nachdem ich nochmal die Innenstadt durchlaufen hatte, begab ich mich auf das dicke Eis des Sees Siljan, an dessen Ufer Mora liegt. Ähnlich wie in Östersund waren auch hier gekennzeichnete Wege vorhanden, die zum Eislaufen vom Schnee befreit wurden. Ich wanderte ein wenig auf dem See herum und genoss den schönen Sonnenuntergang.
Anschließend schlenderte ich nochmal durch die Stadt und gönnte mir Kaffee und Bulle in einem gemütlichen, kleinen Café. Als dieses um 17 Uhr schloss, ging ich zurück zur Unterkunft, wo die Rezeption nun geöffnet hatte. Ich checkte ein und ging auf mein Zimmer. Zu meiner Überraschung hatte dies ein eigenes Bad und WC und wirkte auch sonst ganz gemütlich.
Nachdem ich kurz im Zimmer verweilte um meine, und die Akkus meiner elektronischen Geräte zu laden, zog ich wieder los. Mein Magen zeigte großen Hunger an und so ging ich nochmal zurück in den Ort, um die Salattheke des örtlichen Supermarktes zu plündern. Außerdem konnte ich es nicht lassen, nochmal auf den See zurückzukehren und ein paar Nachtaufnahmen zu machen. Mit einer Auswahl von diesen entlasse ich euch für heute und sage: Bis morgen aus dem wunderschönen Dalarna in Schweden! (P.S.: Der helle Punkt auf den Fotos ist der Mond.)