Warum sollte man sich in Trondheim in einen Zug setzen, knapp zehn Stunden auf der Nordlandsbanen bis weit über den Polarkreis nach Bodø fahren, nur um nach kurzer Pause am Zielbahnhof wieder den direkten Nachtzug zurück zu nehmen? Die Antwort findet ihr in diesem Beitrag! Lasst euch bezaubern von beeindruckenden Winterlandschaften in Norwegen mit Fjorden, Fjellen und einer faustdicken Überraschung am Schluss.
Trondheim – Bodø – (Nachtzug) – Trondheim 1.458 km (total: 4.043 km)
Wie gestern bereits angedeutet, ging es heute mal wieder sehr früh los. Der Wecker riss mich gegen halb sieben aus den Träumen und ich musste das gemütliche Doppelbett in meinem Hotel wieder räumen. Aus meinen Müsli-, Joghurt- und Apfelreserven improvisierte ich noch schnell ein Frühstück, packte meine Sachen und eilte zum Bahnhof. Den Kaffee musste ich auf die Fahrt verschieben, denn ein Wasserkocher war leider nicht Teil der Zimmerausstattung. Zum Glück hatte ich es ja nicht weit. Draußen empfing mich ein herrlicher Morgen und der Himmel leuchtete im schönsten Blau. Das Wetter sollte es heute gut mit mir meinen, das war direkt zu spüren!
Am Gleis angekommen bestieg ich sogleich meinen Wagen mit der Nummer 1. Angesichts der zehnstündigen Fahrt hatte ich mir eine Reservierung in der Kategorie „NSB Komfort“ gegönnt, welche ich bereits in Deutschland gekauft hatte (was den Mitarbeitern im Reisezentrum einges an Nerven gekostet hat). Für einen Aufpreis von 10,60 EUR gab es eine Menge an Platz, Gratis-Heißgetränke und eine Auswahl an Zeitungen – wobei letztere den Kennern der norwegischen Sprache vorbehalten waren. Mit dem ersten Kaffee des Tages machte ich es mir gemütlich. Meine Vorfreude auf die kommende Fahrt wurde nur ein wenig von der Tatsache getrübt, dass ich einen „Wandfensterplatz“ erwischt hatte, die Aussicht also teilweise versperrt war. Im weiteren Verlauf stellte sich das aber als verkraftbar heraus. Außerdem war der Wagen nur spärlich gefüllt, so dass ich mich jederzeit umsetzen konnte.
Spektakuläre Fahrt auf der Nordlandsbanen
Was nun folgte war eine der beeindruckensten Zugfahrten, die ich je gemacht hatte. Auf den ersten Kilometern war die Landschaft noch vom nahen Meer geprägt, doch schon bald gesellten sich die ersten Bergriesen hinzu und wir tauchten in eine tief verschneite Winterwelt ein, die uns bis zur Endstation der Nordlandsbanen, der etwa 750 km entfernten Hafenstadt Bodø, nicht mehr loslassen sollte. Da sich die Eindrücke nur schwer in Worte fassen lassen, lasse ich heute mal Bilder sprechen. Viel Spaß!
Nach vielen Stunden des seeligen Dahingleitens erschien plötzlich eine Nachricht auf der Anzeige: Wir würden bald den Polarkreis passieren und gleichzeitig den höhsten Punkt der Strecke erreichten. Die Landschaft draußen wurde immer karger, bis schließlich gar keine Vegetation mehr zu sehen war. Wir fanden uns in einer regelrechten Schnee- und Eiswüste wieder. Hier oben, im wilden Saltfjellet-Gebirge, musste er irgendwo sein: der Polarkreis! Auf der anschließenden Talfahrt gab es noch einige spektakuläre Ausblicke auf die umliegenden Berggipfel zu erhaschen. Leider könen die Fotos die unglaubliche Dreidimensionalität der Landschaft mit höchsten Höhen und tiefsten Tiefen nur bedingt wiedergeben. Also müsst ihr mir einfach glauben, wenn ich euch sage: Es was einfach gigantisch!
Mit dem Einsetzen der Dämmerung erreichten wir langsam wieder Meeresniveau. Der unfassbar klare Himmel zeigte sich in den tollsten Farben. Ich verbrachte viel Zeit am Ende des Wagens im Türbereich. Dort war es möglich, weitgehend ohne nervige Relfexionen aus dem Fenster heraus zu fotografieren. Außerdem konnte man an jedem Bahnhof kurz die Kamera aus der Tür halten und ein paar Schnappschüsse ohne störende Scheibe machen. Bei dem einzigen etwas längeren Zwischenstopp in Fauske stieg ich kurz aus und kam mit einer sehr gut deutsch sprechenden Norwegerin ins Gespräch, die mir einige Tipps für meinen Abstecher auf die Lofoten in der nächsten Woche gab. Sie war mit ihrem Mann nach Bodø unterwegs um ein Auto abzuholen. Da es sich um ein Elektroauto mit entsprechend geringer Reichweite handelte, wollte sie den Wagen am nächsten Tag mit dem Schiff überführen. Die Autopreise hier oben müssen ja gut sein, damit sich eine solche Aktion lohnt…!
Ankunft in Bodø am Abend
Um halb sechs kamen wir schließlich in Bodø an. Die Eindrücke der vergangenen Stunden waren so umfangreich und vielfältig, dass ich sie erstmal verarbeiten musste. Ich schlenderte also hinunter zum Hafen auf der Suche nach etwas Ruhe und Abgeschiedenheit. Es waren eigentlich verhältnismäßig warme 0 °C, aber der Wind pfiff ordentlich, so dass meine Finger trotz zwei Paar Handschuhe kurz vor dem Abfrieren waren. Hände bleiben einfach meine ganz große Kälte-Problemzone… Ein wenig Bammel vor Lappland habe ich ja schon!
Dementprechend blieb es nur bei einer kurze Stippvisite am Wasser und einem schnellen Foto, bevor ich hinübr in Richtung Innenstadt ging. Im Reiseführer habe ich gelesen, das Bodø eine der „In“-Städte in Norwegen sei, die sich rasant entwickele. Ehrlich gesagt habe ich davon wenig gespürt, auf mich wirkte es eher wie ein verschlafenes Fischernest. Nachfolgend ein paar nächtliche Impressionen. Hübsch beleuchtet war es immerhin.
Um kurz nach neun sollte es ja schon wieder mit dem Nachtzug nach Trondheim zurückgehen. Eine Stunde vor Abfahrt bin ich noch schnell in den nächsten Supermarkt um mir Frühstück und einen Schlummertrunk zu holen. Die erneute Konfrontation mit dem norwegischen Preisniveau war wieder sehr eindrücklich. Ein einfacher Joghurt kostet hier gerne mal umgerechnet 2 Euro, eine Tüte Chips vier bis fünf, und bei einer Dose Bier kann es sogar bis zu 8 Euro gehen. Ich blieb sparsam und musste für meine handvoll Teile genau 101 Kronen löhnen. Beim Wechselgeld viel mir auf, dass die Norweger und Dänen eine besondere Vorliebe teilen, nämlich Münzen mit Loch in der Mitte.
Faustdicke Überraschung am Himmel
Auf dem Rückweg zum Bahnhof wollte ich dann noch „routinemäßig“ eine Langzeitbelichtung am Wasser machen. Dabei fiel mir ein sonderbares weißes Band am Himmel auf. Waren das etwa…? Ja, sie waren es! Wie sich später eindeutig auf den Fotos zeigte, habe ich in meinen ersten Stunden jenseits des Polarkreises also gleich Polarlichter erwischt! Sie waren zwar von der Intensität her noch recht schwach und sind natürlich mitten in der Stadt durch die Menge an parasitären Lichtquellen mit bloßem Augen nur schwer zu erkennen, aber für den Anfang war das doch schonmal nicht schlecht und macht große Lust auf mehr. Nachfolgend einige Beweisbilder.
Mit dem Nachtzug zurück nach Trondheim
Nach der Fotosession ging es dann endgültig zum Bahnhof. Ich befreite meinen Rucksack aus dem Schließfach (in Norwegen wurde meine Kreditkarte problemlos akzeptiert) und gegen 20:50 Uhr konnte man dann den Nachtzug besteigen. Es war übrigens der selbe, mit dem ich hergefahren bin. Es wurden nur die beiden Schlafwagen angehängt, die den Tag über in Bodø abgestellt waren. Unter Bahnfans gehören die Schlafwagen in Norwegen zu den komfortabelsten in Europa und ich freute mich schon sehr darauf, dies nun mal selbst testen zu können. Nachdem ich mir die Schlüsselkarte im Bordrestaurant abgeholt hatte, konnte ich mein Abteil betreten. Und tatsächlich, das sah wirklich sehr nett aus! Klein zwar, aber der Platz ist optimal genutzt. Eine schöne Idee ist das Waschbecken und die Ablagefläche (welche ich als Schreibtisch missbrauchte) an der Fenstersteite. Ich machte es mir bequem, schlißelich war ich ja alleine im Abteil. In Norwegen kann man nämlich nur ganze Abteile buchen, die man entweder allein oder zu zweit benutzt.
Da ich noch Hunger hatte, ging ich noch einmal in das Bordrestaurant („NSB Kafé“) und bestellte mir Labskaus, was ich mir schon auf der Hinfahrt aus der Speisekarte ausgeguckt hatte. Der Preis war natürlich typisch norwegisch, aber man gönnt sich ja sonst nichts! Der norwegische Labskaus ist anders als der norddeutsche, nämlich ohne rote Beete und eher wie eine Art Eintopf. Aber für ein Convenience-Produkt schmeckte es vorzüglich. Es war eine gute Idee, zwischen all den Brötchen und Knäckebroten doch einmal eine warme Mahlzeit einzuschieben. Derartig gesättigt trank ich noch gemütlich meine „lätten“ Schlummergetränke, wählte aus den hunderten Fotos von heute die besten für den Blog aus und schlief irgendwann seelenruhig ein…