Tag 37: (K)ein Schiff wird kommen…

Hallo und willkommen zu Tag 37! Heute heißt es Abschied nehmen aus Finnland und den Nordischen Ländern, stattdessen steht nun das Baltikum auf dem Reiseplan. Zunächst geht es mit dem Schiff von Helsinki in die estnische Hauptstadt Tallinn. Dies erweis sich allerdings als gar nicht so einfach, da das erste Schiff überhaupt nicht fahren wollte und das zweite ganz schön mit dem Sturm auf der Ostsee zu kämpfen hatte…! Davon mehr im folgenden Bericht, bei dessen Lektüre ich wie immer viel Spaß wünsche!

Heutige Route:
Helsinki/Helsingfors – (Fähre) – Tallinn

Gefahrene Kilometer:
87 (total: 14.186)

Heute stand mir ein vermeintlich entspannter Morgen bevor, meine Fähre über den Finnischen Meerbusen sollte nämlich erst um 11:30 Uhr ablegen, so dass ich Tallinn am frühen Nachmittag erreichen würde. Denn jedoch, etwa eine Stunde vor Abfahrt – ich war gerade auf einem bestimmten Ort – erreichte mich eine SMS der Viking Line mit der Kunde, dass besagte Schifffahrt ausfalle. Na klasse! Immerhin wurde mir zugesichert, dass mein Ticket für die Überfahrt mit einer anderen Linie gelte, die nächste Abfahrt war allerdings erst in fünf Stunden! Somit schrumpfte mein Aufenthalt in Tallinn auf nur noch einen Abend zusammen…

Etwas unschlüssig darüber, was ich nun den „geschenkten“ Stunden in Helsinki anfangen sollte, entschied ich mich, zunächst trotzdem zum Fähranleger zu gehen und mich dumm zu stellen. Vielleicht ließ sich ja noch irgendetwas arrangieren oder wenigstens eine Entschädigung ergattern. Also checkte ich aus und lief die paar hundert Meter zum Hafen hinüber. Dort sprachen die Anzeigetafeln eine eindeutige Sprache: Die Fahrt würde ausfallen, daran gab es nichts zu rütteln. Am Infoschalter konnte ich auch nicht mehr als eine Bestätigung der Gültigkeit meines Tickets für die andere Linie herausschlagen. Entschädigung, Verzehrgutschein oder wenigstens ein Stückchen Trostschokolade? Fehlanzeige! Ganz unskandinavisch wird in der Seefahrt das Wörtchen Service scheinbar noch sehr klein geschrieben. Die andere Fährgesellschaft war übrigens die Ekerö Line und deren Terminal mehr als 4 km entfernt – auch das noch!

Tag 37: Fährausfall am Viking-Terminal Tag 37: Fährausfall am Viking-Terminal

Diese zweite Pleite nach dem Plattfuß gestern schlug mir erst einmal erheblich auf die Laune und innerlich fluchend stapfte ich mit meinem schweren Gepäck in Richtung Innenstadt. Ich hatte das Ziel, die nächsten Stunden in irgendeinem Café zu vertrödeln, was wenigstens dem Blog zu Gute gekommen wäre. Auf dem Weg dorthin kam ich an der kleinen Fähre vorbei, die etwa halbstündlich zur Festung Suomenlinna pendelt. Diese befindet sich der Stadt vorgelagert auf einer versprengten Inselgruppe. Na gut, dachte ich mir, warum nicht aus der Not eine Tugend machen und die Zeit für einen kurzen Abstecher zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten Helsinkis nutzen. Insbesondere in Anbetracht der unvollendet gebliebenen Stadtbesichtigung gestern hörte sich das nach einem vernünftigen Plan an.

Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna

 

Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna

Die viertelstündige Überfahrt gestaltete sich recht abenteuerlich, denn der bereits gestern kräftige Wind hatte sich mittlerweile in einen veritablen Sturm verwandelt, so dass man Schwierigkeiten hatte, sich auf Deck zu halten. Natürlich war ich der einzige, der sich in den Kopf gesetzte hatte, die Fahrt an der frischen Luft zu genießen, während die anderen Fahrgäste es sich in der beheizten Kabine gemütlich machten. Ich genoss das Spiel mit den Naturgewalten und mir gelang es sogar, trotz der widrigen Umstände, das ein oder andere Foto zu schießen. Die See blieb bei dem Wind übrigens erstaunlich ruhig, was mich für die spätere, große Überfahrt in trügerischer Sicherheit wog…

Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna Tag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna Tag 37: Mit der Fähre zur SuomenlinnaTag 37: Mit der Fähre zur Suomenlinna

Nach der Ankunft auf Iso Mustaari, einer der beiden Hauptinseln über die sich die Festung erstreckt, startete ich einen kleinen Rundgang durch die Anlagen. Mein Ziel war dabei zunächst das Café Piper, welches in meinem Reiseführer unter anderem wegen seines guten Ausblicks empfohlen wurde. Ich musste jedoch feststellen, dass das Café wie viele weitere Gastronomie-Betriebe auf Suomenlinna im Winter geschlossen war. Also zog ich zunächst weiter umher. Langsam wurde es jedoch empfindlich kalt, zumal ich für den heutigen Reisetag nicht gerade meine wärmsten Klamotten angezogen hatte. Kurzentschlossen kehrte ich in das glücklicherweise offene Café Chapman ein, welches ein Mittagsbuffet zum fairen Preis anbot. Dem konnte ich nicht widerstehen und gönnte mir nach der famosen Pizza gestern ein letztes, letztes finnisches Mahl. Dieses war wiederum schmackhaft, insbesondere die Krabbensuppe hatte es mir angetan. Der kulinarische Abschied aus den nordischen Ländern gestaltete sich  auf den letzten Metern also doch noch recht versöhnlich.

Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna Tag 37: Auf Suomenlinna

Gut gesättigt kehrte ich mit der Fähre nach Helsinki zurück – diesmal ganz gemütlich im Innenraum. Nun galt es mit der Straßenbahn zum Terminal der Eckerö Line zu gelangen. Dabei ging es mit einem Umstieg noch einmal quer durch das Zentrum und ich kam somit immerhin doch noch zu einer Fahrt mit dem schienengebundenen Nahverkehr der finnischen Hauptstadt. Am Länsiterminaali tauschte ich den Wisch, der mir den Ausfall des Viking-Line-Schiffes bestätgte, gegen eine Bordkarte, und nach kurzer Wartezeit konnte ich mit den anderen Reisenden die MS Finlandia entern. Darunter waren auch zwei litauische Biathleten, vermutlich auf der Rückreise von den Rennen in Kontiolahti.

Tag 37: Auf zur Eckerö-Fähre Tag 37: Auf zur Eckerö-Fähre Tag 37: Auf zur Eckerö-Fähre Tag 37: Auf zur Eckerö-Fähre Tag 37: Auf zur Eckerö-Fähre

Auf dem Schiff selbst bot sich mir wieder die etwas sonderbare Mischung aus schwimmender Shopping-Mall, Kneipe und Livemusik, welche ich schon von einer früheren Ostseeüberquerung von Puttgarden nach Rødby kannte. Zunächst ließ ich mich bei einem Knut-Hansen-Verschnitt nieder. Die Mischung aus dem schwer zu übersehenden Selbsthass des Alleinunterhalters in dieser trostlosen Lage und des kompletten Desinteresses des munter trinkenden Publikums konnte ich aber nicht lange ertragen und suchte den Weg zum Außendeck. Dieses war leider zu großen Teilen wegen Eisglätte gesperrt und so blieb es nur bei einer Stippvisite. Nachdem ich mich im Supermarkt mit finnischer Lakritze eingedeckt hatte, fand ich ein ruhiges Plätzchen auf einer gepolsterten Bank, die zu einem der Cafés auf dem Schiff gehörte.

Tag 37: Auf der MS Finlandia Tag 37: Auf der MS Finlandia Tag 37: Auf der MS Finlandia Tag 37: Auf der MS Finlandia Tag 37: Auf der MS Finlandia Tag 37: Auf der MS Finlandia

Mein Plan war es nun eigentlich gewesen, den Rückstand im Blog aufzuarbeiten, denn immerhin gab er während der Fahrt sogar WLAN. Doch mittlerweile waren wir auf dem offenen Meer angekommen und hier gab es plötzlich etwas, von den wir durch die geschützte Küstenlage Helsinkis bisher verschont blieben: Wellen. Hohe Wellen. Sehr hohe Wellen! Vielleicht übertreibe ich als alte Landratte ein wenig, aber ich hatte das Gefühl, wir befänden uns in einem ausgewachsenen Orkan und das Schiff wurde mehr nach oben, unten, rechts und links gerissen, geworfen und geschleudert, als dass es voran kam. Prompt gab es auch eine Durchsage, dass sich unsere Ankunft in Tallinn wegen des Seeganges um eine halbe Stunde verzögere. An Arbeit am Laptop war natürlich nicht mehr zu denken und ich war nur noch darauf konzentriert, nicht total seekrank zu werden. Irgendwann tat ich es meinen Sitznachbarn gleich und legte mich lang auf die gepolsterte Bank. In dieser Position konnte man das Geschaukel einigermaßen ertragen und ich verfiel relativ bald in einen Dämmerschlaf. Geweckt wurde ich zwischenzeitlich nur von dem Geklapper herumfliegenden Geschirrs.

Tag 37: Auf der MS Finlandia

Kurz bevor wir estnisches Festland erreichten hatte sich die See wieder etwas beruhigt. Die letzten Minuten an Bord verbrachte ich wieder aufrecht bei Zimtschnecke und Kaffee. Das weckte die Lebensgeister und so kletterte ich im Hafen von Tallinn zwar noch mit leicht zittrigen Knie, aber ansonsten guter Dinge von dem Kahn. Auf dem Weg zur Unterkunft kam ich bereits an einigen Sehenswürdigkeiten vorbei, unter anderem der Dicke Margarethe und der mittelalterlichen Stadtmauer. Das Wetter war übrigens auch hier ungemütlich und zum Wind gesellte sich nun auch noch heftiger Schneefall.

Tag 37: Ankunft in TallinnTag 37: Ankunft in TallinnTag 37: Ankunft in TallinnTag 37: Ankunft in TallinnTag 37: Ankunft in Tallinn

Meine Unterkunft, das Kohver Hostel, lag mitten in der Altstadt, war allerdings ziemlich schwierig zu finden. Nachdem ich dreimal an dem Haus mit der richtigen Nummer vorbeigegangen war, entdeckte ich schließlich ein winziges Klingelschild mit dem Namen des Hostels. Nachdem ich Einlass erbeten hatte, fand ich mich im Treppenhaus eines alten, recht heruntergekommenen Stadthauses wieder. Im obersten Stockwerk wurde ich schließlich fündig. Das Hostel selbst war sehr überschaubar und wirkte eher wie eine chaotische Studenten-WG. Dementsprechend war auch das Personal nicht ganz auf der Höhe und wusste nicht so genau über den Belegungszustand der Betten Bescheid. Ich wurde schließlich in ein Vierter-Zimmer eingeteilt, in dem scheinbar noch ein weiterer Bewohner hauste. Ich okkupierte ein unteres der beiden Etagenbetten, packte meinen nötigsten Kram aus und hielt mich nicht lange weiter auf, denn ich wollte ja wenigstens noch einen kleinen Eindruck von Tallinn erhaschen.

Tag 37: Im Hostel

Tag 37: Im Hostel Tag 37: Im Hostel Tag 37: Im Hostel Tag 37: Im Hostel

Also ging es mit Kamera und Stativ bewaffnet los in die Altstadt. Diese erwies sich als sehr schön und konnte mit einer Reihe erstaunlich gut erhaltener historischer Bauten aufwarten. Durch die sehr effektvoll eingesetzte Beleuchtung ergaben sich einige hübsche Fotomotive, eine Auswahl davon gibt es in der Folge zu sehen. Besonders gut gefallen haben wir die Aussichtspunkte auf dem Domberg, von denen man einen tollen Blick auf das Stadtzentrum hat. Unterwegs kam ich auch am Bahnhof vorbei und konnte mich so schon einmal für den morgigen Tag mit den Gegebenheiten vertraut machen. Ich war bass erstaunt über die Winzigkeit und spärliche Ausstattung dieser Bahnstation einer europäischen Kapitale, die man durchaus mit Leer (Ostfriesland) oder Cloppenburg vergleichen kann. Anschließend suchte ich noch den benachbarten Supermarkt auf und konnte das erste Mal wieder zu zivilen Preisen einkaufen.

Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn Tag 37: Nächtlicher Rundgang durch Tallinn

Wieder im Hostel ließ ich den Abend bei estnischen Bier und Gitarrenmusik durch meine spanischen und portugiesischen Mitbewohner im Gemeinschaftsraum ausklingen. Zum Glück war die Jugendfraktion nur auf Durchreise zur nächsten Party, somit hatte ich bald meine Ruhe und fand bald in den Schlaf. Dieser wurde nur kurz unterbrochen, als mein direkter Zimmergenosse irgendwann mitten in der Nacht nach Hause kam. Damit sage ich Tschüss für heute und bis morgen – dann heißt es schon wieder Abschied nehmen aus Estland und es geht weiter in die lettische Hauptstadt Riga!