Hallo und herzlich Willommen zu Tag 31! Heute hieß es endgültig Abschied zu nehmen von Tankavaara. Nach einer Woche Sesshaftigkeit beginnt nun das furiose Finale dieser Reise, bei dem es zunächst kreuz und quer durch den Süden und Osten Finnlands geht. Den Auftakt machte eine lange Nachtzugfahrt nach Helsinki, auf der ich mich an dem Komfort der finnischen Schlafwagen erfreute und mir die Zeit mit meiner neuesten Reisebekanntschaft vertrieb. Mehr davon im folgenden Bericht – viel Spaß beim Lesen!
Heutige Route:
Tankavaara – (Bus) – Rovaniemi – (Nachtzug) – Helsinki
Gefahrene Kilometer:
1.131 (total: 11.514)
Nach der langen Polarlicht-Nacht gestern schlief ich heute etwas länger, zumal bis zu meiner endgültigen Abreise aus Tankavaara noch ausreichend Zeit war. Ich hatte nämlich herausgefunden, dass ich den Nachtzug in Rovaniemi noch erwischen sollte, wenn ich erst den 17-Uhr-Bus nehme. Der Übergang war zwar nicht allzu üppig, aber bisher waren die Busse in Lappland trotz teils widriger Straßenverhältnisse stets pünktlich gewesen. Außerdem hatte ich wenig Lust, drei oder mehr Stunden im tristen Rovaniemi abzusitzen.
Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt hatte, machte ich mich ein letztes Mal auf zu meiner Runde auf dem Aurora-Trail. Nach der klaren Nacht hatte es am frühen Morgen wieder zu schneien begonnen. Außerdem wehte ein recht kräftiger Wind, so dass es an den ungeschützten Stellen des Weges Schneeverwehungen gab, die immer wieder für knietiefes Einsinken sorgten.
Nach meiner Rückkehr genoss ich eine heiße Dusche und aß einen letzten Teller Nudeln, ehe es endgültig dem Abschied entgegen ging. Der offizielle Check-out um 12 Uhr war schon lange vorbei, ich hatte aber vom freundlichen Mitarbeiter die Erlaubnis, bis zu meiner Abreise in der Hütte bleiben zu können, da diese für den Rest der Woche nicht belegt war. Ich machte mich also ans Packen. Dabei stellte ich fest, dass ich diesen lästigen Teil des Reisens in der letzten Woche garantiert nicht vermisst habe! Nachdem die Hütte wieder einigermaßen in Schuss gebracht war, hinterließ ich noch ein Paar Zeilen im Gästebuch und setzte mich für die letzten eineinhalb Stunden ins Restaurant.
Um kurz vor fünf stapfte ich schließlich zur Straße um auf den Bus zu warten. Ich verließ Tankavaara mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Weinend, weil ich hier eine wunderschöne Zeit verbracht hatte, die viel zu schnell vorbei ging; lachend, weil ich mich auf den letzten Teil der Reise freute und die Lust auf neue Entdeckungen nach einer Woche an einem festen Ort wieder ordentlich kitzelte. Draußen dämmerte es bereits und es herrschte dichtes Schneetreiben. Durch den Fahrwind sorgten die vorbeirauschenden LKWs einige Augenblicke lang für ein undurchsichtiges Inferno aus Eis und Schnee, so dass ich schon befürchtete, der Busfahrer könnte mich übersehen. Ich hatte aber Glück – im entscheidenden Moment war die Straße frei und die etwa dreistündige Fahrt konnte beginnen.
Die Busfahrt war ein einmalges Erlebnis. Ich setzte mich in die erste Reihe, hatte somit den besten Ausblick auf die Straße. Draußen dunkel, dichtes Schneetreiben und der Wind peitschte. Alle fünf Minuten kam uns ein ein Auto entgegen, sonst nur Wald. Dazu die richtige Musik auf den Ohren, heute war es Again von Archive in der Liveversion aus dem Zenith – ein perfekter Moment, um den Gedanken nachzuhängen und einfach nur zu verschmelzen mit dieser scheinbar endlosen Landstraße. Jäh unterbrochen wurde das Ganze nur von der fast schon obligatorischen Pause im zentralen Provinzkaff. Kurz vor Rovaniemi passierten wir schließlich den Polarkreis. Das war es also mit dem ganz hohen Norden. Auch Lappland würde ich bald hinter mich lassen. Unwiederruflich war ich nun auf dem Heimweg, auch wenn es sich natürlich nicht um den direkten Weg handelt und ich noch einige spannende Schlenker in meine Route eingebaut habe. Dennoch: In diesem Moment waren es mindestens ein ganzes und ein halbes weinendes Auge. Irgendwann würde ich nach Lappland zurückkehren, das stand für mich fest!
In Rovaniemi kamen wir überpünktlich am Bahnhof an, ich hatte nun also noch eine Dreiviertelstunde totzuschlagen. Dies erwies sich als recht zäh, denn bis auf ein angeschlossenes Restaurant, eine Handvoll Schließfächer und ein paar Sitzbänke hat diese Station nichts (mehr) zu bieten. Auch der personenbediente Fahrkartenverkauf ist mittlerweile Geschichte. Im Wartetebereich stapelten sich bereits die asiatischen Reisegruppen samt einer unfassbaren Armada von Rollkoffern. Da ich keine Lust hatte auf das Gebärden unserer Freunde aus dem fernen Osten, zog ich es vor, draußen zu warten. Mit Minus zwei Grad war es dort im Vergleich zu den Tagen zuvor geradezu angenehm warm. Ich beobachtete die Beladung der Autotransportwagen (erkennbar am Rentier), welche später an den Nachtzug rangiert werden würden.
Mit einigen Minuten Verspätung traf er dann schließlich ein, der Zug, der mich in den äußersten Süden Finnlands nach Helsinki bringen würde. Zunächst fuhr er einmal am Bahnhof vorbei, was für ungläubiges Staunen in der Fraktion Nippon sorgte, um sich dann rückwärts den Autotransportwagen und damit unserem Bahnsteig zu näheren. Der Zug hatte eine stattliche Länge von weit über zehn Waggons, die meisten davon doppelstöckige Schlafwagen. Daran lässt sich ablesen, dass das Reisen mit dem Nachtzug in Finnland einen ganz anderen Stellenwert besitzt als beispielsweise in Deutschland – erst recht, wenn man bedenkt, dass die Relation Helsinki–Lappland von drei Zugpaaren pro Nacht bedient wird!
Nun hieß es: Ab in den Schlafwagen, erkennbar an der Eule! Mein Abteil befand sich im Unterdeck, war also ein Economy-Abteil ohne eigene Dusche und WC. Letzteres wäre für einen Aufpreis von zehn Euro im oberen Stockwerk zu haben gewesen, wo sich die ansonsten baugleichen Deluxe-Anteile befinden. Im Folgenden einige Impressionen aus dem Zug. Dieser hat mir ausgesprochen gut gefallen und wirkt sehr modern und gepflegt. An viele Stellen gibt es kleine, gut durchdachte Details, die dem Fahrgast das Leben leichter machen. Beispiele sind das Töpfchen und der Flaschenwärmer auf dem Klo oder die magnetischen Milchkännchen im Bordrestaurant, die so gegen Wegrutschen gesichert sind. Überhaut das Bordrestaurant: Sehr lobenswert ist, dass die finnische Bahn auf allen Nachtzügen einen vollwertigen Speisewagen mitführt, in dem man auch am späten Abend noch ein reichhaltiges Angebot und Speisen und Getränken vorfindet. Auch davon kann man im kontinentalen Europa heutzutage nur noch träumen. Auf dem Weg durch den Zug bin ich darüber hinaus noch auf einen Gepäckwagen gestoßen – ebenfalls so eine Einrichtung, die man bei modernen Bahnen fast überhaupt nicht mehr antrifft.
In meinem Abteil habe ich mich gleich mit meinem Mitbewohner Ohto (sprich: Ochto) angefreundet. Er kam von einem einwöchigen Aufenthalt in einer Forschungsstation im äußersten Nordwesten von Finnland (genauer gesagt in Kilpisjärvi am Dreiländereck mit Schweden und Norwegen) und war auf dem Heimweg zurück an seinen Studienort Helsinki. Ebenso wie ich war Ohto Freund des gepflegten Bahnfahrens und plante eine Interrailreise für den nächsten Sommer. Wir hatten also genug Themen für umfangreiches Gespräch, was wir zunächst bei einem Bier im Speisewagen führten und später im Abteil fortsetzten. Zum Glück hatte ich noch genau zwei Schlummerbiere dabei, so dass ich ihm eines ausgeben konnte. Dafür erhielt ich eine umfangreiche Einführung in die finnischen Trinkgewohnheiten und er konnte meine bisherigen Beobachtungen nur bestätigen, nämlich dass sich ein erheblicher Teil des Lebens in den Nordischen Ländern um die Frage dreht: Wie zum Teufel komme ich an (günstigen) Alkohol?!
Darüber und all die anderen interessanten Themen die wir zu besprechen hatten vergingen die Stunden wie im Flug. Ehe wir uns versahen, war es halb zwei, und wir beschlossen, schlafen zu gehen. Damit verabschiede ich mich für heute und sage Tschüss und bis morgen! Nach der Ankunft in Helsinki wird es dann direkt weiter gehen nach Lahti, wo ein Besuch der zur Zeit stattfindenen Nordischen Skiweltmeisterschaften ansteht.