Hallo und willkommen zum letzten echten Wintertag meiner Reise! Heute verschlug es mich in die Region Nordkarelien. Genauer gesagt nach Joensuu, was genau 111 km Luftlinie von Kuopio entfernt ist. Ich nahm allerdings nicht den direkten Weg, sondern machte einen „kleinen“ Umweg über Kouvola. Grund war, dass ich die Strecke Helsinki–Joensuu befahren wollte – die einizige in Finnland, die im European Rail Timetable als sehenswert gekennzeichnet ist. Bei meiner Ankunft im überraschend idyllischen Städchen erwartete mich zum letzten Mal die Strenge des nordischen Winters. Mehr davon im folgenden Bericht – Viel Spaß beim Lesen!
Heutige Route:
Kuopio – Kouvola – Joensuu
Gefahrene Kilometer:
589 (total: 13.319)
Nach mittlerweile gewohnt kurzer Nacht und dem üblichen Frühstückszeremoniell erreicht ich den Bahnhof Kuopio um kurz nach acht. Über Nacht war es kälter geworden und so erwarteten mich diesmal deutlich winterlichere Verhältnisse. Das erste Teilstück in Richtung Süden würde ich heute mit dem Paradezug der VR, dem Pendolino, zurückliegen. Dieser mit Neigetechnik ausgestattete Zug ist auf ausgewählten Strecken mit bis zu 220 km/h unterwegs und damit so etwas wie das finnische Pendent zum deutschen ICE. Entgegen der offiziellen Empfehlung der Interrail-Webseite war auch hier keine Reservierung erforderlich und trotz guter Auslastung fand ich einen freien Fensterplatz, den ich die ganze Fahrt über nicht verlassen brauchte.
Nach recht ereigisloser Fahrt, die ich hauptsächlich mit Bloggen verbrachte, erreichten wir um kurz nach elf Kouvola. Die etwa halbstündige Umstiegszeit verbrachte ich mit der Erkundung des Bahnhofs und der unmittelbaren Umgebung. Dabei entdeckte ich ein neues Mitglied der Tierfamilie der finnischen Bahn, nämlich den Bären, der das Bordrestaurant im Pendolino kennzeichnet. Außerdem gab es eine alte Dampflok zu bestaunen, die einen schönen Kontrast zu dem modernen Zug im Hintergrund ergab.
Die letzten drei Stunden Zugfahrt für heute legte ich wieder in dem üblichen Doppelstock-Intercity zurück. Zuvor hatte ich am Fahrkartenautomaten einen freien Platz für mich ausgetüftelt. Das war aber gar nicht nötig, denn an der ersten Zwischenstation in Lappeenranta leerte sich der Zug nahezu komplett, so dass der Rest der Fahrt sehr entspannt verlief. In der Tat war die Landschaft – für finnische Verhältnisse – recht profiliert und wir überfuhren sogar einen Viadukt. Zwischendurch kehrte ich ins Bordrestaurant ein und genoss eine Lachssuppe. Diese war lecker und mit reichlich Einlage, allerdings war die Portionsgröße überschaubar und erst unter Zuhilfenahme meines eingeschmuggelten Knäckebrotes sättigend. Mittlerweile befanden wir uns im äußersten Osten Finnlands – nahe des Bahnhofs Parikkala näherten wir uns der Grenze zu Russland bis auf wenige hundert Meter!
Um kurz nach halb drei kamen wir dann in Joensuu an, gleichzeitig Endstation des Intercity-Zuges. Im Reiseführer war von einer „Stadt ohne besondere Sehenswürdigkeiten“ die Rede – na, das kann ja heiter werden! Bevor ich mich touristisch betätigte, hatte ich aber noch ein anderes Ziel: Nach bald zwei Wochen war es mal wieder höchste Zeit für einen Schwimmbadbesuch; das würde meiner Laune, die in den letzten Tagen nicht immer blendend war, sicherlich gut tun! Im Zug hatte ich bereits herausgefunden, dass das örtliche Hallenbad am heutigen Samstag bereits um 17 Uhr schließt. Also hieß es die Beine in die Hand zu nehmen und schnell zur Unterkunft zu eilen! Bei dem etwa zwanzigminütigen Gang konnte ich bereits erste Eindrücke von Joensuu sammeln. Und die waren gar nicht so schlecht, denn die Stadt war recht idyllisch an der Mündung Flusses Pielisjoki in den Pyhäselkä-See gelegen.
Meine Unterkunft, das Finnhostel Joensuu, lag unweit der sehr schönen evangelischen Kirche. Im Zimmer angekommen dann die Überraschung: Dieses war riesig, verfügte über eigene Küche und Bad und hatte sogar einen Balkon! Außerdem bekam ich ein Lunchpaket geliefert, denn ich würde Joensuu morgen bereits vor Beginn der Frühstückszeit wieder verlassen haben. Ich hielt mich aber nicht lange auf, sondern packte schnell meine Schwimmsachen zusammen und eilte zum Hallenbad. Dort verbrachte ich eine angenehm erfrischende und belebende Stunde im kühlen Nass – allerdings war der „Trainingsrückstand“ der letzten Wochen schon deutlich zu bemerken!
Nachdem ich das Bad wieder verlassen hatte, ging ich direkt zur Stadtbesichtigung über. Nach einem wolkenverhangenen Tag zeigte sich auf den letzten Metern plötzlich die Sonne. Mit dem Aufklaren des Himmels rauschte gleichzeitig die Temperatur in die Tiefe und war schon wieder bei -7 °C angekommen. In der Heimat hingegen war zur gleichen Zeit der Frühling bei knapp fünfzehn Grad plus schon im vollen Gange, der Kontrast könnte also kaum größer sein. Entgegen der vom Reiseführer geschürten Befürchtungen erwies sich die Stadt als recht angenehm und hatte mit dem wuchtigen Backstein-Rathhaus, der besagten Kirche und dem ein oder anderen hübschen Holzhaus durchaus auch etwas für das Auge zu bieten. Außerdem erfuhr ich, dass ich unbemerkt schon wieder in einer Hochburg des Wintersports gelandet war, denn am nächsten Wochenende stand der Biathlon-Weltcup im benachbarten Kontiolahti an.
Am Ende meines Ganges war ich am Ufer des Sees angekommen. Anders als der Fluss war dieser von einer dicken Eisschicht überzogen. Das dichte Netz an Langlauf-Loipen auf der schneebdeckten Eisfläche deute an, dass das Betreten gefahrlos möglich sein sollte. Also ließ ich es mir nicht nehmen, zum letzten Mal meiner neuen Leidenschaft für zugefrorene Gewässer zu frönen. Auf dem See konnte ich den Sonnenuntergang verfolgen, welcher zu einer Reihe interessanter Lichtsituation führte. Schließlich war es – anders als die langzeitbelichteten Bilder andeuten – stockdunkel geworden. Dies hielt die Einheimischen allerdings nicht davon ab, mit Stirnlampen bewaffnet ihrem Lieblingshobby, dem Langlauf nachzugehen.
Hier, auf der freien Fläche, zog die Kälte nun richtig an und es waren mittlerweile sicherlich wieder zweistellige Minusgrade. Auch wenn ich nicht gerade optimal gekleidet war und entsprechend fror, erfüllte mich der Moment mit Wehmut. Dies war er nun, der letzte Gruß des nordischen Winters, denn ab morgen würde ich mich nur noch in milden Küstenregionen aufhalten. Mit wurde bewusst, dass das Projekt Winterrail ab jetzt im Prinzip vorbei war und der Rest der Reise wohl eher unter dem Motto „Fahrt in den Frühling“ stehen würde. Innerlich verfluchte ich meinen strammen Zeitplan für die nächsten Tage, denn zu gern hätte ich den kommenden Sonntag noch mit einem ausgedehnten Spaziergang über den See verbracht – zumal perfektes Winterwetter mit knackiger Kälte und Sonne satt vorhergesagt war!
Irgendwann wurde es mir doch zu kalt und ich trat den Rückzug in Richtung Hostel an. Dabei kam ich noch an einigen hübsch beleuchteten Bauwerken vorbei. Diese animierten mich trotz der eisigen Temperaturen zu ein paar klassischen Nachtaufnahem, die nach wie vor meine große Leidenschaft sind. Mittlerweile gefiel es mir richtig gut in Joensuu, welches mich in vielerlei Hinsicht in das ebenfalls tolle Mora in Schweden erinnerte.
Vom Hostel war es nur ein Katzensprung zum nächsten Supermarkt. Dort deckte ich mich für einen kleines Abendmahl ein, welches im Wesentlichen aus der regionalen Spazialität, den Karelischen Piroggen bestand. Diese wurden für kleines Geld aus lokaler Erzeugung angeboten. Satt und zufrieden über den unverhofft schönen Winterabend ging ich einigermaßen zeitig ist Bett, denn man nächsten Morgen würde mein Wecker in aller Herrgottsfrühe klingeln. Davon aber mehr im nächsten Bericht, bis zu dem sage: Tschüss und bis bald!