Hallo und herzlich willkommen zum letzten Schnapszahl-Tag! Nachdem ich heute gut erholt in Oulu aus dem Nachtzug stieg, ging es bald weiter zu meinem heutigen Tagesziel Kuopio. In der Stadt war es grau in grau und wenig winterlich, also unternahm ich einen kleinen Ausflug auf den Hügel Puijo und den zugehörigen Aussichtsturm. Dort erwartete mich ein toller Ausblick, an dem ich euch im Folgenden gerne teilhaben lasse. Wie immer gilt: Viel Spaß beim Lesen und Anschauen!
Heutige Route:
Oulu – Kuopio
Gefahrene Kilometer:
360 (total: 12.730)
Nach einer kurzen Nacht klingelte mein Wecker um 06:30 Uhr. Ich hatte geschlafen wie ein Stein und bin unterwegs kaum einmal wach geworden – die Betten im finnischen Nachtzug sind einfach phantastisch! Wir erreichten Oulu mit leichter Verspätung um kurz vor halb acht. Ich schlich mich leise aus dem Abteil, denn mein Mitbewohner schlief noch und würde vermutlich bis zur Endstation Rovaniemi weiterfahren. Auf dem Bahnsteig erwartete mich ein herrlicher Wintermorgen mit -8 °C und wunderbar klarer Luft. Ich genoss die knackige, aber angenehme Kälte, denn schließlich könnte es mein letzter Kontakt mit dem richtigen Winter gewesen sein! Anschließend verzog ich mich in das überschaubare Bahnhofsgebäude, wo ich witzigerweise Werbung für Interrail vorfand. Nachdem ich mich beim kleinen Kiosk mit Kaffee, Jughurt und Pulle (so heißt alles schneckenartige Gebäck in Finnland) eingedeckt hatte, machte ich mich zunächst ans Frühstück, ehe ich den Rest der Wartezeit mit Bloggen verbrachte.
Um zehn Uhr stand ich wieder am Bahnsteig und stieg in den Intercity nach Kuopio. Dieser bestand aus den bekannten Doppelstockwagen, diesmal allerdings nur zwei an der Zahl. Die Auslastung war zunächst gering und so suchte ich mir einen Fensterplatz im Oberdeck aus. Unterwegs herrschte zunächst weiterhin bestes Wetter, wie in dem einzigen Zugfenster-Foto von heute dokumentiert. Am ersten größeren Zwischenhalt wurde die beiden Wagen plötzlich rappelvoll, denn es war eine ganze Kompanie an jungen Soldaten eingestiegen. Außerdem erhob jemand Anspruch auf meinen Sitzplatz (okay, Reservierungen gibt es also scheinbar auch in Finnland). Zunächst fand ich Zuflucht auf einem der letzten freien Plätze im „Zwischendeck“ am Wagenübergang, doch nachdem ich auch diesen kurze Zeit später räumen musste, verbrachte ich den Rest der Fahrt kniend auf dem Fußboden. Immerhin gelang es mir auch in dieser Position noch den letzten Blogeintrag kurz vor Ankunft des Zuges fertigzustellen…
In Kuopio, mit etwas über 110.000 Einwohnern die größte Stadt Ostfinnlands, war die Sonne leider wieder hinter dicken Wolken verschwunden. Außerdem waren die Temperaturen nahe am Gefrierpunkt und die Schneeauflage entsprechend matschig und unansehnlich. Etwas missmutig wegen der anstrengenden Zugfahrt und des schlechten Wetters stapfte ich zu meinem Hostel, was etwa 2 km vom Bahnhof entfernt lag. Dabei kam ich am Dom vorbei sowie an dem Ufer des Kallavesi-Sees, an dessen Kuopio sehr reizvoll gelegen ist. Der See war natürlich zugefroren und wurde – wie die allgegenwärtigen Langlauf-Loipen nahelegten – ausgiebig für Wintersport-Aktivitäten genutzt.
Meine Unterkunft, das Hostel Hermanni, war in einem Flügel eines größeren Backsteinbaus gelegen. Eine personenbesetzte Rezeption gab es nicht, aber ich konnte das Hostel mit dem Türcode betreten, der mir zuvor per E-Mail geschickt wurde. Den Zimmerschlüssel fand ich in der Tür steckend vor. Der Raum verfügte über zwei Stock- und zwei Einzelbetten und bot einfachsten Hostel-Standard, allerdings zum Preis eines (günstigen) Hotels. Ähnliches habe ich nun schon oft in etwas kleineren, abseits der Haupttouristenströme gelegenen Destinationen beobachtet und muss wohl an der fehlenden Konkurrenz liegen.
Noch war mein Zimmer verwaist, aber anhand der zweiten Rechnung auf dem Schreibtisch war zu erkennen, dass ich noch einen Mitbewohner bekommen würde. Problem: Es gab nur einen Schlüssel, was ich bei dem solzen Preis ziemlich unangebracht fand! Ich rief kurzerhand beim Hostelbetreiber an und bat höflich, aber bestimmt um ein zweites Exemplar. Der kam dann auch prompt nach etwa einer halben Stunde und händigte mir einen Zweitschlüssel aus. Sein Englisch war leider sehr schlecht, so bleib es mir leider schleierhaft, ob das nun ein Versehen war oder Methode hatte.
Nach einer heißen Dusche und der fälligen Handwäsche einiger Klamotten zog ich los in Richtung Innenstadt. Mittlerweile war es fast vier Uhr und das Tagslicht würde sich bald verabschieden. Unterwegs wagte ich ein paar Schritte auf dem See, nachdem mir eine Spaziergängerin versichert hatte, dass das Eis tragfähig ist. Allerdings war die Schneedecke auf dem Eis sehr nass und matschig, so dass ich es bei einem kurzen Abstecher beließ. Das Zentrum von Kuopio bildet der großflächige Marktplatz, welcher neben dem Rathaus und einer älteren Markthalle vor allem von nüchternen Funktionalbauwerken aus neuerer Zeit gesäumt ist. Ansonsten gab es nicht viel, was das Auge eines Architekturfreundes erfreuen würde.
Ich setzte meinen Weg daher bald fort zur einzigen Sehenswürdigkeit, die mir zuvor bekannt war, nämlich den etwas außerhalb des Zentrums gelegenen Hügel Puijo mit seinem charakteristischen Aussichtsturm und Skisprungschanzen. Der Aufstieg führte über eine wenig befahrene Straße durch dichten Wald. Mit jedem Meter den ich an Höhe gewann, wurde das Landschaftsbild winterlicher und es hing sogar Schnee in den Ästen der Bäume. Das fühlte sich doch gleich viel besser an als die Matschepampe unten in der Stadt! Irgendwann lugte der Turm aus dem Bäumen hervor und ich hatte den Gipfel erreicht. Von hier gab es bereits einen schönen Ausblick, aber ich wollte mehr. Also rein in den Fahrstuhl und rauf auf den Turm – natürlich gegen Entgelt. Immerhin gab es Studentenrabatt.
Leider war die freiliegende Aussichtplattform ganz oben im Winter gesperrt, somit konnte ich den Ausblick nur hinter Glas genießen. Trotzdem war dieser phänomenal und man hatte einen herrlichen Blick auf Kuopio und die umliegende Seenplatte. Getrübt wurde das Ganze nur von dem diesigen Wetter, was die Weitsicht deutlich einschränkte. Nachdem ich herausgefunden hatte, wie man das Licht auschaltet, waren auch die störenden Reflexionen in den Fenstern verschwunden und ich konnte eine ausgiebige Foto-Session starten. Ich hielt mich bestimmt eine Stunde auf dem Turm auf und war die ganze Zeit der einzige Besucher. Das war natürlich sehr angenehm und die Stimmung durch die einsetzende Dunkelheit draußen und im Turm einmalig!
Auf dem Rückweg nahm ich die Treppe und ärgerte mich ein wenig, dass ich diese Möglichkeit nicht schon früher entdeckt hatte, nehme ich doch jede sportliche Herausforderung dankbar an. Draußen war es mittlerweile stockfinster und ich nahm die Abkürzung zurück in die Stadt über den Aufsprunghügel der Sprungschanzen. Unten angekommen konnte ich dann noch das „klassische“ Kuopio-Motiv verewigen, bevor ich entlang der beleuchteten Langlauf-Loipen den Weg zurück ins Zentrum und zum Hostel fand. Dort angekommen lernte ich meinen Mitbewohner kennen, der auch nur aus Durchreise war, kümmerte mich ums Essen (Salat – es war mal wieder Zeit für etwas Gesundes!), und ließ den Abend schließlich standesgemäß bei Blog und Bier ausklingen. Damit sage ich Tschüss für heute und bis morgen, dann werde ich noch weiter in den Osten Finnlands vordringen!