Heute stand nur eine relativ kurze Bahnetappe auf dem Programm, dafür hatte ich umso mehr Zeit an meinem Tagesziel Falun. Das stellte sich als Glücksfall heraus, denn hier konnte ich ihn endlich zum ersten mal in ganzer Pracht erleben: den Winter! Dieser begegnete mir auf einer Wanderung zum Skizentrum Lugnet, welches erst am Wochenende zuvor Schauplatz des Langlauf-Weltcups war und mit seinen imposanten Skisprungschanzen beeindruckte.
Örebro – Falun 196 km (total: 1.803 km)
Die Nacht war wieder einmal recht kurz, da ich gestern noch lange am Laptop gedaddelt hatte. Außerdem haben die Arbeiter auf der Straßenbaustelle vor meinem Fenster bis sieben Uhr morgens(!) Vollgas gegeben. Nicht nur der Ladenschluss, auch die Arbeitszeiten scheinen in Schweden recht liberal geregelt zu sein. Nach einem schnellen Frühstück im Zimmer ging es dann direkt zum Bahnhof. Um die Kehrwoche bin ich zum Glück herumgekommen, weil die dazugehörigen Gerätschaften gerade durch den Hostel-Mitarbeiter in Benutzung waren. Am Bahnhof angekommen wartete dann auch schon der Regionalzug in Richtung Gävle, diesmal unter dem Label Tåg i Bergslagen.
Im Inneren des Zuges hieß es dann: Beinfreiheit bis zum Abwinken und Sitze so gemütlich wie ein guter alter Ohrensessel. Und das in der zweiten Klasse! Man muss schon sagen: In schwedischen Regionalzügen reist es sich bequemer als in vielen Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn. Abgerundet wird das Bild von sehr freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern, die sich direkt nach der Fahrkartenkontrolle hinter die Theke des kleinen Bordbistros stellen und die Fahrgäste mit frisch gebrühtem Kaffee versorgen.
Unterwegs in das Herz Schwedens
Unterwegs gab es wieder das beste aus dem schwedischen Bilderbuch zu sehen: Viel Wald, viel Wasser, viel Falunrot. Die Gegend wurde zunehmend hügeliger und nach und nach mischten sich auch wieder einige weiße Flecken ins Bild. So gondelte ich seelig dahin – langsam aber sicher bin ich im Urlaub angekommen! Kurz aufgeschreckt hat mich der Gedanke, dass ich nur noch Unterkünfte für die kommenden drei Nächte gebucht habe und mich langsam um den weiteren Verlauf der Reise kümmern sollte. Das habe ich dann allerdings zunächst auf den Abend verschoben.
Nach einer – bei der gebotenen Gemütlichkeit – viel zu kurzen Fahrt kam ich bereits gegen halb eins mittags in Falun an. Offiziel war die Anreise in meiner Unterkunft erst ab 15:00 Uhr vorgesehen. Trotzdem bin ich gleich schnurstracks dorthin marschiert, festentschlossen, einfach einmal nett zu fragen, ob ich mein Zimmer nicht vielleicht schon etwas früher beziehen könnte. Aber was heißt Zimmer – eigentlich müsste es Zelle heißen, denn schließlich handelt es sich bei dem Falu Fängelse um ein ehemaliges Gefängnis, welches zu einer Jugendherberge (schwedisch Vandrarhem) umfunktioniert wurde. Von außen machte das Gebäude, was in etwa 15 Minuten fußläufig vom Bahnhof zu erreichen war, schon einmal einen imposanten Eindruck.
Willkommen im Knast!
Hinter den Gefägnismauern wurde ich sogleich freundlich begrüßt. Der frühe Zimmerbezug war gar kein Problem. Ich hatte eine „Zweierzelle“ gebucht, aber da sich die Auslastung als sehr spärlich entpuppte, war ich wieder alleine. Die Bude war spartanisch, aber zweckmäßig eingerichtet. Auf dem Flur gab es einige Sitzgruppen, die allerdings zum Zeitpunkt meiner Anreise verwaist waren. Bis zum späten Abend habe ich nur zwei andere „Insassen“ angetroffen: Ein junges Pärchen, welches sich scheinbar über einen längeren Zeitraum im Fängelse niedergelassen hat. Als besonderes Schmankerl gab es noch eine gut ausgestattete Gästeküche mit Gratis-Kaffee – perfekt!
Auf zum winterlichen Lugnet-Skizentrum
Die gähnende Leere in der Unterkunft habe ich erst einmal genutzt, um ausgiebig zu duschen und den ersten Schwung Wäsche zu waschen. Gegen 14 Uhr habe ich mich dann gut eingepackt zum Ski- und Sportzentrum Lugnet aufgemacht, welches ich nach etwa 20-minütigen Fußmarsch durch Siedlungen und Birkenwälder erreichte. Mit den beiden weithin sichbaren Skisprungschanzen ist der (die? das??) Lugnet eines der Wahrzeichen Faluns, welches ich durch diverse Wintersport-Übertragungen schon oft im Fernsehen bewundern konnte. Jetzt tatsächlich hier zu stehen war schon cool! Noch cooler war es, dass sich dort oben mein Freund der Winter endlich in voller Kraft entfaltete und regelrechte Schneemassen vorzufinden waren. Das meiste davon dürfte allerdings aus der Schneekanone stammen – schließlich war hier am Wochenende zuvor der Skilanglauf-Weltcup zu Gast, und der verlangt nach perfekten Pisten.
Die Strecken rund um den Hügel mit den Skisprungschanzen waren noch bestens präpariert und wurden rege von Hobbysportlern benutzt. Nachdem ich mir bei einem herumstehenden Trainer die Erlaubnis eingeholt hatte, bin ich kreuz und quer durch das Loipengewirr gewandert und bestaunte die teils heftigen Anstiege, die die Läufer zu bewältigen haben. Anschließend bin ich zu den Sprungtürmen hochgekraxelt und habe die tolle Aussicht auf die Stadt und die umliegenden Seen genossen. Oben pfiff ein ordentlicher Wind und so wurde es langsam frostig. Zudem begann es langsam zu dämmern, also wagte ich den Abstieg hinunter in das Zentrum von Falun.
Nachdem ich ein wenig durch die Innenstadt geschlendert bin, habe ich den nächsten Supermarkt aufgesucht. Motiviert durch die tolle Gästeküche sollte es heute Selbstverpflegung sein. Also habe ich mir Nudeln, etwas Salat, sowie das Frühstück für morgen besorgt. Witziges Ereignis am Rande: Das erste Mal seit ewigen Zeiten wurde ich beim Alkoholkauf wieder nach dem Ausweis gefragt (mit 31 Jahren). Wobei Alkohol hier in ganz dicke Anführungszeichen gehört, handelte es sich doch nur um eine harmlose Dose Lättöl (2,2 vol%).
Gemütlicher Abend in Falun
Zurück im Knast habe ich mich zunächst am Kaffeeautomaten und mitgebrachter Zimtschnecke gütlich getan und dabei die nächsten beiden Unterkünften in Norwegen klargemacht. Anschließend gab es die Nudeln und den Salat, ehe ich – wie immer auf der Suche nach ein paar nächtlichen Fotomotiven – noch einmal losgezogen bin. Draußen war es knackig kalt und die Bedienung der Kamera mit zwei Paar Handschuhen wurde zur Herausforderung. Dafür belohnte mich der Himmel mit wunderschönen Farben. Es waren zwar noch keine Nordlichter (dafür bin ich noch viel zu südlich), verbreitete aber doch eine ganz besondere Atmosphäre.
Mit einer kleinen Auswahl an nächtlichen Aufnahmen aus dem Zentrum von Falun verabschiede ich mich für heute. Morgen heißt es dann schon (vorerst) Abschied nehmen von Schweden. Nach einer langen Bahnetappe von etwa 12 Stunden (inklusive Zwischenstopp in Åre) werde ich hoffentlich pünktlich und unversehrt in Norwegen ankommen.